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Mal die Perspektive wechseln: Bank-Fachleute arbeiten einen Tag bei antonius

von Christine Reith

Einen Stall ausmisten, mit Jugendlichen Schach spielen, eine Obstschale töpfern: Das Projekt „SeitenWechsel“ ermöglicht es Mitarbeitenden von Unternehmen, einen Tag lang in den verschiedensten Bereichen vom Netzwerk antonius mitzuarbeiten – und dabei den eigenen Blick auf das Thema Inklusion zu hinterfragen. Zu den „Wiederholungstätern“ gehört die Direktbank ING Diba.

„Ich muss ehrlich sagen, dass ich mit Vorurteilen angereist bin“, erzählt ein Mitarbeiter der ING Diba aus Frankfurt am Main, der zusammen mit 24 Kolleginnen und Kollegen einen Tag in den Betrieben von antonius hospitiert hat. „Morgens habe ich noch so eine Mauer gespürt. Doch durch die persönlichen Begegnungen hat sich das über die Stunden total verändert – vor allem, weil die Menschen uns gegenüber so offen und direkt waren.“

Große Herzlichkeit beim SeitenWechsel-Projekt

Ähnlich erging es den anderen Kolleginnen und Kollegen aus dem Team Risikomanagement der ING Diba. Viele berichteten von einer großen Herzlichkeit und davon, wie sich ihre Sichtweise auf Behinderung und Inklusion an diesem Tag ein Stück weit verändert hat. „Ich hätte nie damit gerechnet, an einer Schule für Jugendliche mit geistiger Behinderung echte Schach-Talente zu treffen“, erzählt etwa ein Banker, der in der Arbeitsschule Startbahn mitgeholfen hat und selbst Schach spielt. „Ehrlicherweise wusste ich nicht einmal, dass es solche Einrichtungen überhaupt gibt, die junge Menschen mit Hemmnissen darauf vorbereiten, einen Beruf zu lernen. Dem gilt mein großer Respekt.“

Es waren also ganz neue Erfahrungen, die die Finanzexpertinnen und -experten beim SeitenWechsel-Projekt gesammelt haben. Normalerweise beschäftigt sich die Abteilung eher mit blanken Zahlen. Bei antonius haben sie in Zweierteams Obstschalen in der Keramikabteilung getöpfert, Weihnachtsdeko in der Schreinerei gefertigt, Chili in der Gemüsegärtnerei geerntet, den Kuhstall auf dem antonius Hof in Haimbach auf Vordermann gebracht oder in der Arbeitsschule Startbahn am Bewerbungstraining und der AG Gesellschaftsspiele teilgenommen – natürlich immer zusammen mit Menschen mit Behinderungen, die hier arbeiten oder zur Schule gehen.

Social Giving: Zusammenhalt und soziales Bewusstsein fördern

Die Idee hinter dem Mitmach-Tag: Firmen geben ihren Führungskräften, Mitarbeitenden oder Azubis die Gelegenheit, ihre Zeit und Arbeitskraft für eine gemeinnützige Einrichtung zu spenden und dabei neue Perspektiven zu gewinnen, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Das ING Diba-Team hat sich schon im vergangenen Jahr an einem SeitenWechsel von antonius beteiligt und damals gemeinsam an einem konkreten Projekt gearbeitet: der Gestaltung des antonius Festwagens für den nächsten Rosenmontagsumzug. In diesem Jahr sollte es einen tieferen Einblick in die Vielfalt des breit aufgestellten Netzwerks geben, wobei sich jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin schon vorab für einen Wunscharbeitsbereich entscheiden konnte. Nach einem gemeinsamen Warm-up ging es am Vormittag und am Nachmittag für mehrere Stunden an den individuell vereinbarten Arbeitsplatz. Zum Mittagessen trafen sich alle Teilnehmenden im antonius Café und am Abend gab es eine Austauschrunde mit antonius Mitarbeiter Marek Saalfeld.

„Ganz normale Betriebe“

Beim Evaluationsgespräch zeigten sich die Bankerinnen und Banker beeindruckt von den intensiven Erlebnissen und Begegnungen des Tages. Ein ING Diba-Mitarbeiter, der in der Schreinerei mitgearbeitet hat, beschrieb es so: „Meine große Erkenntnis ist: Jeder Mensch ist unterschiedlich, und in dieser Unterschiedlichkeit sind wieder alle gleich. Auch in der Schreinerei gibt es stille und laute, lustige und introvertierte Typen – wie überall eigentlich. Das Arbeiten fühlte sich also so an, wie in einer ganz normalen Schreinerei eben mit den unterschiedlichsten Menschen, und nicht speziell wie eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung.“ antonius Mitarbeiterin Aylin Jordan von der Abteilung Freunde & Förderer erklärt: „Genau das wollen wir sein: ganz normale Betriebe. Die Gesellschaft besteht nun einmal aus Menschen mit und ohne Behinderung und so gestalten sich auch unsere Arbeitsbereiche.“

Den Gästen aus Frankfurt fiel positiv auf, dass auch Menschen mit komplexen Einschränkungen und sehr hohem Unterstützungsbedarf in die Arbeiten einbezogen werden. Marek Saalfeld, Leiter des GestaltenWerks – also den Werkstätten bei antonius –, erklärt: „Die Behörden sprechen solchen Personen oft ab, dass sie überhaupt Leistungen erbringen können. In der Regel gelangen sie dann in eine isolierte Tagesförderstätte. Wir aber sagen: Jeder Mensch hat Talente, wir müssen sie nur finden. Deshalb liegt unsere Tagesförderung, die wir übrigens Talentförderung nennen, in der Mitte unseres Quartiers, so dass wir die Menschen – und sei es nur stundenweise – immer wieder in Arbeitsprozesse einbeziehen können.“

Zum SeitenWechsel-Projekt erklärt Marek Saalfeld: „Viele Außenstehende fragen sich, wie es gelingt, dass Menschen mit und ohne Behinderungen – also mit den unterschiedlichsten Voraussetzungen – auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Bei einem SeitenWechsel-Projekt können sie genau das live erleben, indem sie einen Tag lang Teil unserer besonderen Arbeitsgemeinschaft werden. Wir haben viele gute Ansätze, aber wir können Inklusion nicht alleine machen und brauchen Bürgerinnen und Bürger, die daran gemeinsam mit uns arbeiten. Solch ein Sozialprojekt ist hier oft ein guter Anfang und eine Bereicherung für alle Seiten.“

Fotos: Albert Sunny

Was genau ist „SeitenWechsel“?

Unter dem Projektnamen „SeitenWechsel“ besuchen Firmen, Vereine und Institutionen das Netzwerk antonius, um hier für einen Tag lang mitzuarbeiten und neue Sichtweisen auf Behinderung zu erleben.

Sie möchten mit Ihrem Unternehmen an einem SeitenWechsel-Projekt bei antonius teilnehmen?

Gerne gestalten wir solch einen „Social Day“ nach Ihren Vorstellungen. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind so vielfältig wie das Netzwerk antonius und Sie als Kooperationspartner oder Kooperationspartnerin selbst.

Wir können beispielsweise ein zu Ihrem Unternehmen und Ihrer Belegschaft passendes Thema suchen und gemeinsam ein konkretes Projekt umsetzen. Ideen und Bedarfe haben wir genug: Die Firma Eeloy beispielweise hat ein Ordnungssystem für die Spielgeräte-Hütte der Antonius von Padua Schule entwickelt, die Deutsche Bank Fulda hat einen alten Pavillon „Turmhäuschen“ im Klostergarten am Frauenberg renoviert und Azubis von Tegut haben auf dem antonius Hof einen Tag zum Thema „Rund um die Kartoffel – von der Saatkartoffel bis zur selbstgekochten Kartoffelsuppe“ erlebt.

Alternativ laden wir Ihre Mitarbeitenden ein, wie das Team der ING Diba stundenweise in kleinen Gruppen in unseren inklusiven Betrieben mitzuarbeiten – ob in der Bäckerei, der Gemüsegärtnerei, in den Keramik- und Holzwerkstätten, in unseren Gastronomien oder auf unserem Bio-Bauernhof.

Selbstverständlich übernehmen wir für Sie die gesamte Tagesgestaltung inklusive Verpflegung und eine Reflexionsrunde zum Tagesabschluss. Auf Wunsch organisieren wir Übernachtungen in unserem TagungsKloster im Kloster Frauenberg. Viele Firmen nutzen den Abend für einen Ausklang in der Fuldaer Innenstadt.

Was auch immer wir gemeinsam auf die Beine stellen: Immer geht es darum, dass Menschen mit Behinderung einen Einblick in ihren Arbeitsplatz geben und ganz neue Begegnungen entstehen, die möglicherweise Vorbehalte abbauen und zu mehr Verständnis beitragen können. Zugleich ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitenden, während der Arbeitszeit ehrenamtlich Gutes zu tun und neue, wertvolle Erfahrungen zu sammeln.

Ansprechpartner „SeitenWechsel“
Marek Saalfeld (Abteilungsleiter GestaltenWerk und mittendrin)
Tel. (0661) 10 97 444, M.Saalfeld@antonius.de

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