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Die Legende von der Fastenbrezel
von Christine Reith
Die Fastenbrezel – eine Hefebrezel ohne Laugenkruste, Rosinen oder sonstigen Schnickschnack – steht für den Verzicht auf süße und fettige Lebensmittel in der Fastenzeit. Ihre Form erinnert zudem an die alte Gebetshaltung der Mönche, die früher die Arme vor der Brust kreuzten und sich die Hände auf die eigenen Schultern legten. Außerdem bilden die Schlingen der Brezeln drei Hohlräume, welche die Dreifaltigkeit Gottes verkörpern sollen.
Viel Symbolik für ein schlichtes Gebäckstück, das in katholischen Gegenden Deutschlands traditionell zur Fastenzeit, mancherorts auch zwischen Weihnachten und Ostern, gegessen wird. Im Unterschied zu den klassischen Laugenbrezeln werden Fastenbrezeln vor dem Backen nicht in verdünnte Natronlauge getaucht, sondern kurz in Wasser gekocht. Ähnlich wie bei Bagels. So ist der Geschmack weniger intensiv und noch stärker konzentriert auf die Zutaten, meistens Mehl, Wasser, Salz und Hefe.
Wie es zu dieser speziellen Fastenbrezel kam, erzählt eine Legende aus dem oberschwäbischen Biberach: Hier soll in früheren Zeiten ein Lehrling vergessen haben, die Lauge anzusetzen, was damals eine langwierige Prozedur war. Aus Zorn über seinen Schützling warf der Bäckermeister den Teigrohling in einen Bottich mit kochendem Wasser und schob ihn erst dann in den Ofen. Herausgekommen ist eine besonders leckere Brezel, die nicht so salzig schmeckte, außen knusprig und innen schön weich war.
Mit dem richtigen Schlenker in Form gedreht
Inspiriert durch diese Legende backt die antonius Bäckerei seit mehreren Jahren Fastenbrezeln nach altem Rezept – in diesem Fall aus Weizenmehl, Hefe, Butter, Milch und Malz. Mehl und Milch stammen vom antonius Hof in Haimbach, alles andere aus biologischem Anbau befreundeter Betriebe.
Beim Fastenbrezelbacken geht in der inklusiven Bäckerei alles Hand in Hand: Zuerst mischen die Mitarbeitenden die Zutaten und verarbeiten sie mit einer Knetmaschine zu einem glatten Teig. Immer 2,8 Kilogramm Teig werden zu 30 Kugeln und dann Stangen geformt, die nach einer kleinen Ruhephase mit beiden Händen zu langen Teigsträngen ausgerollt und mit dem richtigen Schlenker zu Brezeln geformt werden. Der Trick: Der Strang muss in der Mitte etwas dicker sein und von den Enden her zweimal überkreuzt werden. Dann klappt man die Enden hoch, drückt sie fest und zieht die Brezeln noch etwas auseinander. Fertig. In der antonius Bäckerei stehen sich beim Brezeldrehen drei, vier Mitarbeitende mit und ohne Behinderungen an einem großen Tisch gegenüber. Man sieht den Bewegungen an, dass sie gekonnt und routiniert durchgeführt werden. Mal ein kleiner Kommentar, mal ein Lächeln, ansonsten wird hier hochkonzentriert gearbeitet. Nebenan setzen Kolleginnen und Kollegen Amerikaner aufs Blech oder kümmern sich um die Brote. Es gibt immer viel zu tun in der Biobäckerei.
Nachdem die Brezeln geformt wurden, muss der Teigling kurz gehen, bis er dann von Backstubenleiter Manfred Heil eine knappe Minute in kochendem Wasser gebrüht und mit einer großen Schöpfkelle aufs Backblech gelegt wird. Anschließend kommen die Brezeln 12 Minuten bei 220 Grad Celsius in den Ofen. „Am besten schmecken sie noch warm oder – wer nicht ganz so streng fastet – mit ein bisschen Butter. Man kann sie auch zuhause nochmal ganz kurz aufbacken“, empfiehlt Manfred Heil. Er und sein Team backen und verkaufen die Saisonbrezeln von Aschermittwoch bis Karfreitag, zum Beispiel im antonius Laden oder im antonius Café. Nach dem vielen Süßen und Üppigen in der Fastnachtszeit sind die schlichten Fastenbrezeln eine schöne Tradition.
Fotos: Steffen Wassmann